Mobbing in der Schule - erkennen und verstehen

Mag.a Ursula Berghofer, Psychologin in Baden (Bad Vöslau)

Mobbing in der Schule ist aktueller denn je. So belegt zum Beispiel die Pisa Studie (2015), dass Mobbing die stressvollste Bedrohung für das Wohlbefinden von SchülerInnen darstellt. Der Leidensdruck dadurch ist enorm und kann zu emotionalen Störungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Beeinträchtigung der schulischen Entwicklung führen. Daher sind Prävention und Intervention von Mobbing in Schulen heute so wichtig.


Mobbing ist für jeden Menschen in jedem Alter eine furchtbare Erfahrung. Doch in der Zeit der Kindheit und Jugend - in dieser prägenden Phase der Persönlichkeitsentwicklung - kann es ganz besonders tiefgreifende Folgen haben. Es liegt an den Erwachsenen, diesem Kreislauf psychischer Gewalt in Schulen präventiv entgegenzuwirken und gegebenenfalls aktiv zu stoppen. Dem Lehrpersonal und dem Zusammenwirken mit den Eltern kommt dabei eine entscheidene Rolle zu.

Eine besondere Form psychischer Gewalt heute ist Mobbing im Internet, das sog. Cybermobbing. Wie groß das Ausmaß dessen ist, zeigt die Forsa-Studie aus dem Jahr 2011: Mehr als ein Drittel der Befragten zwischen 14 und 20 Jahren wurden schon über das Internet oder das Handy direkt beleidigt oder bedroht. Online und offline werden nicht mehr getrennt - Schulhof und Internet verschränken sich.

Was ist Mobbing und welche Formen gibt es?

Ein/e Schüler/in ist Gewalt ausgesetzt und wird gemobbt, wenn er/sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer SchülerInnen ausgesetzt ist.

 

Physisches Mobbing

Schläge, Tritte, schubsen, stoßen, bedrängen, bewerfen, bespucken sowie Übergriffe auf das Eigentum des Opfers

 

Verbales Mobbing

 Direkte sprachliche Attacken, die vom Täter an das Opfer gerichtet werden wie bedrohen, beschimpfen, beleidigen, verspotten, auslachen;

 

Relationales Mobbing

 Attacken, die das Image schädigen: Verbreiten von Gerüchten, jemanden lächerlich machen, abwertende Blicke oder Bewegungen usw.


Geschlechtsunterschiede: Männliche Jugendliche setzen verstärkt physisches oder verbales Mobbing ein, weibliche Jugendliche bedienen sich stärker des relationalen Mobbings. Die Mehrheit der TäterInnen wendet jedoch die Kombination der drei verschiedenen Aggressionsformen (physisch, verbal, relational) an.

Die Rollen im Mobbingprozess

Mobbing ist ein gruppendynamisches Phänomen mit verschiedenen Rollen. Eine Vielzahl an Forschungs-ergebnissen bestätigen, dass nicht nur einzelne, sondern die gesamte Klasse in irgendeiner Weise am Mobbingprozess beteiligt ist. Auch wenn einige SchülerInnen nicht aktiv am Mobbing teilnehmen, tragen sie indirekt zum Mobbing bei. Im Mobbingprozess gibt es sechs verschiedene Rollen, die in folgende zwei Kategorien eingeteilt werden können (s. Salmivalli et al. 1996).


Rollen mit aggressiven Verhaltensweisen  (35%)

  • Mobber (8%):  Rädelsführer und aktiver Initiator des Mobbings
  • Assistent des Mobbers (7%): beteiligt sich aktiv und täterorientiert am Mobbing, initiiert dieses aber nicht selbst
  • Verstärker des Mobbers (20%): spornt den Täter durch sein Verhalten an (lacht, jubelt, klatscht usw.)

 

Rollen mit nicht-aggressiven Verhaltensweisen   (65%)

  • Opfer (12%): das von Mobbing betroffene Kind
  • Verteidiger des Opfers (17%): unterstützt das Opfer und versucht aktiv, etwas gegen das Mobbing zu tun
  • Außenstehende (24%): passives Verhalten wie „nichts tun“ bzw. „sich heraushalten“
  • Rollen ohne bestimmte Zuordnung (12%)

Abb.: Ergebnis einer Untersuchung nach Salmivalli et al. (1996)

Diese Erkenntnis bezüglich der einzelnen Rollen im Klassenverband ist für die Intervention beim Mobbing besonders wichtig. Studien belegen, dass das Verhalten der Gleichaltrigen das Auftreten von Mobbing in der Schule maßgeblich beeinflusst. Wenn Gleichaltrige eingreifen, werden viele Mobbingsituationen oft rasch beendet. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass die Arbeit mit der Klasse einen bedeutenden Ansatz zu Mobbingprävention an Schulen darstellt. Untersuchungen zeigen deutlich, dass das Verhalten der Zuschauer maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob ein Kind gemobbt wird oder nicht.

Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut.

Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.

Mobbing stoppen - Über die zentrale Bedeutung des Lehrpersonals

Von größter Bedeutung ist die Erkenntnis, dass das Lehrerverhalten darüber entscheidet, wie sich die Gruppendynamik beim Mobbing entwickelt. Insgesamt befinden sich am Anfang eines Mobbingsgeschehen ca. 65 % der Kinder in einer Klasse, die sich nicht aggressiv verhalten und die man zur Erhaltung oder zum Schutz eines guten Klassenklimas aktivieren könnte. 65 % der Kinder, die für Maßnahmen gegen Mobbing leicht zu gewinnen wären. Wenn hingegen nichts getan wird, verkehren sich die Zahlen ins Gegenteil, weil der Teil der Unbeteiligten dann unwillkürlich die Täter-Seite stärken und auch die Bereitschaft der unterstützenden Kinder sinkt, je länger das Mobbing andauert.

Das Lehrerverhalten bestimmt demnach maßgeblich darüber mit, ob sich das Kräfteverhältnis zu ungunsten des gemobbten Kindes entwickelt oder nicht. In einem sozialen Kontext, in dem aggressives Verhalten absolut nicht akzeptiert wird, kommt aggressives Verhalten seltener vor als in einem Umfeld, das aggressives Verhalten hinnimmt. Je nachdem, wie sich LehrerInnen und anwesende Gleichaltrige angesichts aggressiver Auseinandersetzungen verhalten, wird aggressives


Verhalten einzelner Schüler gestoppt oder verstärkt. Wenn Anzeichen von Mobbing nicht entgegengewirkt wird, stärkt dies die Täter und Mobbing kann sich leicht etablieren und ausbreiten.

 

Letztendlich benötigen LehrerInnen einen angemessenen Rückhalt, Schulungen zur Prävention und Intervention und eine klare Positionierung der Schule selbst, um kompetent in Mobbingsituationen eingreifen zu können. Die Richtschnur für eingreifendes Handeln sollte so sein, dass eher zu früh als zu spät eingegriffen wird.

Mobbing ist für eine Klasse ohne Unterstützung von außen kaum zu lösen,

weil Täter ihren hohen sozialen Einfluss nicht freiwillig aufgeben.

Deshalb sind alle konsequent verfolgten Strategien gegen aggressives Verhalten sinnvoll.

Quelle: In Anlehnung an Kolodej, Ch. (2018), Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und in der Schule, 3. Aufl., Verlag: facultas

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